"private collection"

exogene depression

plötzlich babyschreie aus dem wohnzimmer. ich schaue nach: eine junge ratte, in die enge getrieben. hinten und rechts eine wand, links das seitenteil des schranks. von vorne wacht der schwarze kater, der sie lebend angeschleppt hat, auf dass ich meine fangtechnik mal wieder trainiere. die kleine ratte schaut mich an und schreit herzzerreißend. aus des katers augen blitzt stolz und die unmissverständliche aufforderung, mit der jagd zu beginnen. nur wie?

früher, als wir noch parterre wohnten, war das alles etwas einfacher. da gab‘s einen garten mit niedlichen, kleinen, offenbar dressierten mäusen. jeden tag wurde mir eine gebracht, die mich dann voller vertrauen aus ihren runden kugeläuglein ansah. ich brauchte nur nach dem reitstiefel zu greifen, der schaft erschien ihnen als rettende höhle, in die sie sich haste-nicht-gesehen verzogen. sicher haben sie sich gewundert, wieso sie anschließend in hohem bogen im efeu landeten und der kater jedesmal für eine weile aus dem verkehr gezogen war. manchmal brauchte ich auch gar nichts zu tun. wenn nämlich irgendwelche stiefel rumlagen, haben sie sich auch gerne in diesen verkrochen. der flug ins grüne ließ dann etwas länger auf sich warten und ihm ging nicht selten ein kinderschrei voraus - die kannten das spiel nämlich auch und wussten sofort, warum der fuß nicht in den stiefel passte. aber würde die ratte das kapieren? und wenn nicht? sie in der wohnung zu wissen, wäre mir doch etwas unangenehm. ich musste handeln, lange würde mir der kater den vortritt nicht lassen... ein schuhkarton! einen etwas größeren, den könnte ich aus einiger entfernung über den nager mehr werfen als stülpen. dann etwas zum drunterschieben, ein tablett oder besser noch: ein kuchenblech. gedacht, getan, geklappt. jetzt das gebilde noch unauffällig durchs treppenhaus nach unten tragen. so. ratte freigelassen, den kram gleich in die mülltonne geworfen. wieder oben, möchte ich natürlich vom kater gelobt werden. er würdigt mich keines blickes, er sucht angestrengt nach der ratte. der blödmann denkt, sie wäre mir entwischt. wie soll ich ihm das nun wieder erklären? warum versteht mich niemand? keiner sieht, wie toll ich bin! da muss man ja depressionen kriegen! ich gehe jetzt ins bett - und der braucht nicht zu denken, dass er nachkommen kann. soll er doch das blöde vieh suchen, bis er schwarz wird.

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