"private collection"
13.01.2007

als es einigermaßen akut wurde, war er, der mann einer nachbarin, schon eine weile ausgezogen. ausgezogen ist vielleicht ein bisschen zu drastisch formuliert. er bewohnte vorübergehend die beiden zimmer einer kollegin, die für ein jahr ins ausland gegangen war.

es gab diverse gerüchte, mal sollte er mit einer anderen kollegin ein verhältnis haben, dann wieder wollte man wissen, dass er mit frau sowieso ein wellness-wochenende gebucht hatte. alles geschichten, die mich nicht besonders interessierten, da ich mich in dem sogenannten freundeskreis ohnehin eher am rand aufhielt. allerdings war der kontakt auch nicht ganz zu vermeiden, weil die familie ja in der nachbarschaft wohnte.

die frau, sonderschullehrerin, wurde mir immer unangenehmer im umgang, weil sie in diversen psychoseminaren, ähnlich angehauchten workshops undsoweiter aufging, die sie zunächst auch als fortbildung nutzen konnte. vor einem jahr etwa wollte sie mir dann brühwarm berichten, dass sie mit ihrem mann eine paartherapie anstrebe und zwar bei einem bundesweit als schick geltenden frankfurter therapeuten.

bevor ich in die dramatik einer solchen situation eintauche, lösungsstrategien abwäge oder gar ehrfürchtig die kosten zur kenntnis nehme, mache ich lieber einen dummen spruch, der die leute auf abstand hält. in diesem falle, dass ich lieber mit einem halbwegs begabten lover nach paris führe, als mich mit einem wie dem ihrigen durch ein therapiewochenende zu quälen. damit war ich die dame vorläufig los, nicht ohne vorher noch zu erfahren, dass sie es sich jedenfalls leisten könne (sie hatte in der zwischenzeit geerbt) und meine ignorante haltung der praktizierten psychologie und ihrem göttergatten gegenüber ja hinlänglich bekannt sei.

gut, gut. fortan konnte ich die weitere entwicklung aus einiger entfernung beaobachten: sie nahm ein bisschen ab und leistete sich eine neue frisur, er machte auf sportlich und kam regelmäßig angeradelt, um seinen vaterpflichten genüge zu tun und um irgendwelche aktionen zu starten, die ihnen der paartherapeut wohl auferlegt hatte. er schaute ebenso wichtig wie sie glücklich aus der wäsche. na bravo.

eine andere freundin, die ihrer fortschreitenden altersschwachsichtigkeit wegen einen ihr nahestehenden augenoptiker aufgesucht hatte, traf diesen in einem etwas desolaten zustand an und erfuhr, dass ihn seine frau verlassen habe und mit den kindern zu ihren eltern gezogen war. vor kurzem hatte er nicht nur gehört, sondern auch durch eigenen augenschein überprüft, dass der herr, von dem oben die rede ist, dort ein- und ausging. sie, die freundin, erbat meinen rat: müssen wir ihr, anna, das sagen? eine heikle frage, die die freundin, nachdem sie von den summen erfahren hatte, die a. in die therapie investierte, selbst positiv beantwortete und auch in die tat umsetzte. a. reagierte gereizt, unterstellte verschwörungstheorien gegen ihren gatten, berichtete dann auch ihr von der therapie, in der man gerade bei ihrer krankhaften eifersucht und den damit verbundenen wahrnehmungsstörungen angelangt war. die erfolge wollte sie sich nicht kaputtreden lassen. allerdings wurde zu zweit und auch mit dem therapeuten recht entspannt über die angelegenheit gesprochen, der gatterich schüttelte dabei mehrfach sein blondes haupt und sie nickte, als er vom neid ebenso hysterischer wie alleinstehender ziegen sprach.

so weit, so schlecht. der informationspflicht war genüge getan, mehr gab es nicht zu tun. er kam weiterhin angeradelt, sie schüttelte nach wie vor ihr frisch frisiertes köpfchen, man sah sie sogar ab und an wieder gemeinsam - fast möchte man sagen: neu verliebt - in der öffentlichkeit. der optiker hatte zwar mittlerweile entdeckt, dass ein neuer name am briefkasten aufgetaucht war, und berichtete auch von gemeinsamen unternehmungen mit allen vier kindern, aber das wäre nun wirklich zu blöd gewesen, sowas auch noch weiterzutragen.

ende vom lied: in der ersten session im neuen jahr dozierte er einleitend ein wenig über die anfängliche aussage des therapeuten, ein therapieerfolg sei nicht ausschließlich im fortbestehen einer partnerschaft zu sehen, sondern könne auch eine gemeinsame getragene trennung bedeuten. sie begriff nur langsam, um was es ging, als er seine neue adresse bekanntgab und fast beiläufig bestätigte, dass ausnahmslos alle unterstellungen ihrerseits der wahrheit entsprächen, sogar ein paar belanglosigkeiten dazukämen, die nicht weiter interessant wären, ihre eifersucht hätte sie ja nun im griff. freundlich signalisierte er gesprächsbereitschaft, verlieh auch seiner hoffnung auf ein faires scheidungsverfahren ausdruck. sie möge aber erstmal alles verdauen, weitere gemeinsame therapietermine halte er jedoch nicht für angebracht und auch nicht für nötig.

ihr entsetzen muss so groß gewesen sein, dass sie keine, absolut keine aussage zur reaktion des therapeuten machen kann.