hamlet
zweimal im jahr (zu ihrem geburtstag im mai und zu weihnachten) führen wir sie, die ehemalige klavierlehrerin meiner kinder, in die oper oder ins theater aus - und sie hat recht: "das geht einfach nicht. so eine drama und diese leute da auf der bühne. nicht ein schauspieler darunter. keine haltung, keine sprache - wie sagt man: prononciation. die sätze ganz zerrissen, man verstehte nix. wo sollen die jungen leute sich noch bilden, wenn nicht im theater? diese stadt und schauspiel: eine katastrophe, seit jahren schon." sie empört sich, gleichzeitig entschuldigt sie sich für ihr schlechtes benehmen. sie schreit "basta. basta!" im ehrwürdigen großen haus und alle schauen nach ihr, der zierlichen alten frau, italienerin, die mehr stimme hat als die komödianten, die sich da vorne auf der bühne herumtreiben und im wesentlichen gags produzieren. ich mache sie auf meinen geliebten michael birnbaum aufmerksam. der kann sprechen und zeigt sich als laertes in beeindruckender pose. "ach, hören Sie auf, ein paar gute sätze machen noch keinen schauspieler aus ihm." mein sohn kichert: "nun rück schon die geleefrüchte raus und dann benehmen wir uns mal gepflegt daneben." auch er schreit immer wieder basta. als hamlet mit dem kopf in einen blöden wassereimer getunkt wird, dass er wirklich fast erstickt, empört man sich sogar auf deutsch besetzten plätzen: es reicht. aufhören. was soll das? scheiße. im abschließenden gemetzel gibt sich auch "mein" laertes dem slapstick hin. "tja mutter, jetzt musst du wohl dein urteil revidieren. ein grund zum feiern, finde ich." dann tosender applaus. wofür? sie wieder: "das publikum ist eine hure. nun klatschen sie auch noch, die heuchler."