"private collection"

cura posterior

27.04.2006

er schreibt und schrieb tagebuch. einzelne weiße blätter, dekorativ in eine alte mechanische schreibmaschine eingespannt, diese wiederum auf einem dieser kleinen, früher üblichen schreibmaschinentischchen mit rolltür in szene gesetzt. dort wird also fast täglich berichtet von dem, was er zu einem ereignis erhebt. man muss vor allem frauen davor warnen, das zu lesen. wahrscheinlich wird es sie ärgern, wenn dort irgendwas für sie bedeutsames keinerlei erwähnung findet. schlimmer ist aber, dass dieses blatt papier seine interpretationen als tatsachen wiedergibt. jede, die dabei war, weiß, dass die dinge völlig anders liegen. da er geschickt von den eigentlichen fakten abstrahiert, lässt sich das natürlich schlecht beweisen. jeder einzelne satz ist jedoch geeignet, sie in rage zu bringen. (das sagt er teilweise schriftlich voraus!) es kommt zum streit. sie will recht haben. sie macht sich lächerlich. und wie. schließlich ist es sein fucking diary. im anschluss setzt er sich an die schreibmaschine und schreibt über das gezeter. wieder gelogen. es folgt eine auseinandersetzung über den bericht über die erste auseinandersetzung. auch darüber wird dann wieder in einer weise geschrieben, dass sie ihn auf der stelle umbringen könnte. vielleicht greift sie ihn körperlich an oder zerreißt vor wut diese blätter. beides lässt ihn ungerührt lächeln. er wird einfach irgendwann wieder irgendwas darüber schreiben. sie schreibt nicht, aber sie will ihm auch nicht die definitionsmacht über das vergangene lassen. sie muss also wieder und wieder hinsehen, sich wieder und wieder ärgern... die geschichte findet kein ende, wie auch? sie könnte aber weiter eskalieren: unter dem bett befindet sich ein nostalgischer koffer, in dem er seine gesamte vergangenheit aufbewahrt: besagte blätter in lockerer folge, dazwischen souvenirs, billetts und kryptische notizzettel, nicht schwer zu interpretieren. diesen koffer könnte man doch eigentlich mal...

krank. ja. ein therapeut würde jetzt sein sprüchlein aufsagen: lassen Sie los, dann sind Sie frei. ein außenstehender würde raten, das geschreibsel einfach nicht zur kenntnis zu nehmen. kommen einige von selbst drauf, schließlich gebietet das schon die diskretion! aber auch das funktioniert nicht. zum beispiel spricht er beim schreiben. gut, niemand hindert eine/n den raum zu verlassen. aber er ist nicht nur ein schreiber, sondern auch ein vorleser. er kommt also mit dem blatt an... sie bittet ihn, das für sich zu behalten. sebstverständlich. kein problem. und irgendwann wacht man morgens auf und er sitzt schon da und liest vor. sie läuft vielleicht schreiend davon. dann bleiben immer noch die abende, an denen er sich darin gefällt, irgendwas anderes eindrucksvoll zu gehör zu bringen, gerne stendhal oder diderots nonne, eventuell turgenjew - und es fällt auch nicht gleich auf, dass er sich schon wieder in seinem memorial befindet, den stil spontan der lektüre angepasst!

ich sollte vielleicht erwähnen, dass so einer nicht etwa aus dem richtigen leben gegriffen ist. zumal er auch noch verdammt gut aussieht - und das in diesem alter. es gibt keinen vergleich, aber wenn man sich sowas wie den vater von erol sander vorzustellen versuchte, käme das ungefähr hin.

stimmt. es handelt sich um den protagonisten in einem zweitklassigen krimi, eine art opfer seiner opfer. opfer von frauen. alle nicht ganz dumm und natürlich nicht mehr jung - jedenfalls haben sie diesen emo-dimmer schön runtergedreht. ladies, die einen irrsinnigen spaß daran haben, seine journal-blätter zu fälschen, die souvenirs im koffer kreativ umzugestalten und überhaupt alles um ihn herum ein bisschen zu derangieren. das kann er gar nicht gut ab, das macht ihn nervös, das überfordert ihn. er ist ja nicht mehr der jüngste, und die frauen um ihn herum kriegt er auch nicht mehr richtig sortiert.

an das ende kann ich mich leider nicht mehr genau erinnern, ermordet wird er nicht, das steht fest. ich glaube, er landet in einer psychiatrischen heilanstalt. der besten des landes. und seine (ehemaligen) geliebten teilen ihn schwesterlich. jeden tag bekommt er besuch, machmal von mehreren damen gleichzeitig. und wie gerührt das personal immer wieder ist, wenn sie ihn bei jedem wetter im rollstuhl mit in den weitläufigen park nehmen. seine haarsträubenden berichte darüber hört der chefarzt bei der visite milde lächelnd an, er weiß ja, den guten plagt vor allem seine eigene phantasie. ob man das nochmal unter kontrolle kriegt? vorerst erhöht man mit zustimmung der ehefrau sukzessive die tägliche dosis seiner lieblings-arznei: diarium. auch für eine geruhsame nacht. und die wünschen wir ihm jetzt. küsschen rechts. küsschen links.