"private collection"

ein bisschen schwanger

15.06.2006

dreißig jahre lang hatten ihr die ärzte erzählt, sie könne keine kinder bekommen. es gab zeiten, in denen sie das bedauert hatte, und solche, in denen sie das genießen konnte. irgendwann hatte sie sich einfach damit abgefunden. nun war sie in der zweiten hälfte der vierziger - und schwanger. die gefühle hätten bei einer 16jährigen nicht stärker ausschlagen können. ebenso wie ihr völlig klar war, dass das alles überhaupt nicht ging, dass sie niemals irgendjemandem davon würde erzählen können, wusste sie auch, dass dieses kind ein geschenk war, das sie einfach nicht wieder hergeben durfte.

schlimmer: sie schämte sich. man wird mit 46 nicht einfach so schwanger, noch dazu erstmals schwanger. ohne beziehungs-background, aber mit einem job, den man nicht einfach mal so für ein jahr oder zwei an den nagel hängen konnte. was auch immer sie gedanklich durchspielte, es war unmöglich. sie ärgerte sich auch, dass ihre souveränität hin war. als unwürdig hätte sie es zum beispiel empfunden, zu pro-familia zu gehen und um eine beratungsbescheinigung zu bitten... amsterdam, ja, das wäre eine option, noch ein paar tage urlaub dort anhängen nach dem abbruch. sie bräuchte nichtmal den kindsvater zu informieren. überhaupt der, der sollte eh nichts erfahren. nie. aber weiter so unbefangen in der gegend rumlaufen sollte er natürlich auch nicht. das empfand sie schon als provokation. und wenn sie das kind bekäme... dann müsste sie jetzt mal langsam ihren chef informieren. das würde ja auch mit jeder weiteren woche, die ins land ging, unangenehmer. nein, man sah noch nichts, ihr war auch nicht schlecht. eigentlich war alles wie immer. nicht mehr als ein zufallsbefund. man könnte es glatt ignorieren. man könnte vielleicht wie früher die töchter aus gutem hause zu gegebenem zeitpunkt mit einem nervenleiden an die see fahren und... was für schwachsinnige gedanken hatte sie, wie unglaublich dumm war sie doch, wie konnte ihr das überhaupt passieren!

ich traf sie in italien. sie, für die gesamte unternehmenskommunikation zuständig, war in urlaub gefahren, ohne irgendjemandem irgendetwas zu sagen. den termin in amsterdam hatte sie verstreichen lassen und jetzt war es ja eigentlich auch zu spät für einen schwangerschaftsabbruch. klar, man könnte dennoch. man kann immer dennoch, wenn man weiß, was man will. aber sie wollte einfach nichts. zum ersten mal in ihrem leben wollte sie nichts - außer in der sonne zu sitzen und den dingen ihren lauf zu lassen.